Die Zukunftsfabrik: Wie Futury die Gründerszene in Frankfurt neu belebt

„Die Startup-Szene in der Region ist besser als ihr Ruf“, sagen Melissa Ott und Charlie Müller, die Geschäftsführer von „Futury – The Future Factory“. Sie haben das Ziel, dass im Rhein-Main-Gebiet 1.000 neue Startups bis 2030 gegründet werden. Die beiden empfangen uns im Bertramshof. Bis vor kurzem saß der Hessische Rundfunk noch in diesen Räumen im Frankfurter Stadtteil Dornbusch. Nicht nur die regionale Wirtschaft, sondern ganz Deutschland soll von hier aus frische Impulse empfangen.
Es ist ein starker Aufschlag der großen Hochschulen, die nur eine halbe Autostunde voneinander entfernt liegen. Sie machen Tempo. Die Frankfurt School of Finance & Management (45 Prozent) sowie die Frankfurter Goethe-Universität, die TU Darmstadt und die Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität (je 15 Prozent) engagieren sich jetzt bei Futury gemeinsam. Sie wollen das Gründerpotenzial der Region endlich voll ausschöpfen. Hinter ihnen stehen 100.000 Studenten und 10.000 Wissenschaftler.
Auf 2.000 Quadratmetern wird Futury im Bertramshof ab September rund 120 bis 130 Arbeitsplätze für Startups zur Verfügung stellen. Es gibt Meeting- und Verwaltungsräume sowie einen schönen Innenhof – wie gemacht für Networking und Sommerpartys. „Wir verstehen uns als Katalysatoren“, stellt Melissa Ott klar.
Futury will Innovationen aus Hochschulen fördernGründer aus der Hochschulszene können über Futury mit der Industrie in Kontakt treten, die voll hinter der Initiative steht. Man erschließt auf diese Weise Finanzierungsquellen und ermöglicht Pilotprojekte mit den Partnern aus dem Netzwerk. Der Anstoß kommt zur rechten Zeit. Immer mehr Hochschulabsolventen streben nach Selbstständigkeit mit der Vision, die Welt ein Stück besser und effizienter zu machen.
Natürlich finden längst nicht alle, die sich bewerben, die erhoffte Hilfe für ihr Startup. „Die Ideen“, so Ott, „sollten auch marktfähig sein“. Bei einem Pitch müsse dargelegt werden, welches Problem das neue Unternehmen konkret lösen könne. Futury bietet Veranstaltungen an, die zeigen, womit man Investoren überzeugen kann.
„Krisen sind immer eine Chance für Gründer.“ – Melissa Ott, Futury
Futury gibt es bereits seit 2017 – zunächst unter der Regie der Frankfurter Werte-Stiftung. Nach der Übernahme durch die vier Hochschulen liegt der Fokus nun darauf, akademische Talente aus der Region mit gewieften Praktikern zusammenzubringen. „Wir wollen möglichst viele Begabungen aus unseren Einrichtungen und Forschungsschwerpunkten in die Wirtschaft herüberziehen“, erläutert die studierte Wirtschaftsingenieurin für Elektrotechnik. Die komplizierte Weltlage und die Wachstumsflaute riefen nach Menschen mit Risikobereitschaft und Engagement. „Krisen sind immer eine Chance für Gründer.“

Melissa Ott träumt davon, dem verblassten Gütesiegel „Made in Germany“ wieder Glanz zu verleihen. Sie sieht den eigenen Innovationshotspot nicht in Konkurrenz zu anderen Unterstützungsstrukturen wie beispielsweise dem TechQuartier im Hochhaus Pollux an der Frankfurter Messe. Dort sind mehr als 650 Startups (212 allein in Frankfurt) mit 30 korporierten Partnern angeschlossen.
Kapital und Mentoring für die Gründerszene Frankfurt„Wir brauchen Erfolgsgeschichten. Deutschland muss schlagkräftiger werden.“ – Charlie Müller, Futury
„Je mehr Plattformen entstehen, umso besser“, findet Charlie Müller, der als Co-Founder und Managing Director von Anfang an bei Futury dabei war. „Wir brauchen Erfolgsgeschichten. Deutschland muss schlagkräftiger werden.“
Die Schwestergesellschaft Futury Capital hat seit der Gründung schon 80 Millionen Euro bereitgestellt und damit aus dem eigenen „Ökosystem“ eine Milliarde Euro eingeworben. Die Deutsche Bank, die Deutsche Börse, das Chemieunternehmen Merck oder die Consultingfirma Bain & Company gehören zu den Unterstützern der Futury GmbH. Sie stellen den Start-ups vor allem ihr Mentoring zur Verfügung und loten Pilotierungsmöglichkeiten aus.
Nun ist ein neuer Fonds in Höhe von 40 Millionen Euro aufgelegt worden. „Damit wollen wir weitere Investoren anlocken und 500 Millionen Euro hebeln“, skizziert Müller das weitere Vorgehen. Auf diese Weise könne man bis 2030 rund 200 neue Startups pro Jahr gründen. Natürlich überlebten viele junge Unternehmen die Frühphase nicht. „Es kann aber auch Bedeutendes entstehen.“
Charlie Müller schaut aufmerksam auf die angelsächsischen Länder. Es sei imponierend, wie unkompliziert sich dort Unternehmen aus Hochschulen heraus entwickeln. „Wir haben bei uns Nachholbedarf. Doch es tut sich gerade eine Menge.“
Status Quo: Startup-Potenzial im Rhein-Main-GebietIn der Vergangenheit lief die Entwicklung von Startups speziell in Frankfurt weniger gut als erwartet. Vor allem bei den FinTechs hatte man sich mehr erhofft. 2016 installierte die Deutsche Börse einen Fintech Hub mit Fanfarenklängen und verband damit enorme Hoffnungen. Inzwischen wurde der Versuch still und leise beerdigt.
Anders als in Berlin wartet man in der deutschen Finanzmetropole am Main nicht sehnsüchtig auf Gründer, um das Finanzgeschäft anzukurbeln. Es läuft ja anscheinend auch so. Geld hinterherschmeißen möchte man nicht. Wer aber zu lange zögert, verpasst die ein oder andere Entwicklung. Das soll sich ändern. Frankfurt als Finanzmetropole ist grundsätzlich ein guter Nährboden für einen technologiebasierten Finanzservice.
Insgesamt ist die Startup-Bilanz von Frankfurt ausbaufähig. Mit 9,1 Gründungen pro 100 000 Einwohner liegt Darmstadt 2024 im bundesweiten Ranking auf dem fünften Platz der besten Gründerstädte – deutlich vor der Nachbarstadt Frankfurt. Etliche Newcomer kommen dort ins Rollen. Zum Beispiel überrascht HCP Sense mit Deep Tech und einem Sensorsystem, das Pumpen überwacht und den Energieverbrauch senkt.
Vorbild BioNtech: Von der Uni zum Weltkonzern
Auch Mainz hat einiges vorzuweisen. BioNtech hat dort als Startup begonnen. Uğur Sahin und Özlem Türeci nahmen 2008 an einem Wettbewerb des Bundesforschungsministeriums teil und gewannen. Das Preisgeld war an die Gründung eines neuen forschenden Unternehmens gekoppelt. Die beiden nahmen die Herausforderung an und sind heute in der ganzen Welt bekannt.

Die Gründung von Biontech war eng mit der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität verknüpft. In der Coronazeit erlebte das Unternehmen dank seines Impfstoffes einen sagenhaften Boom. Mit Grundlagenforschung, Entwicklung von Immuntherapien und mRNA-Impfstoffen möchte Biontech inzwischen die Gesundheit der gesamten Menschheit verbessern.
Erfolgsmodelle aus Frankfurt: Emma und RoomheroNatürlich müssen Startups nicht immer Spektakuläres und Umstürzendes liefern. Gute Konzepte reichen auch aus für den geschäftlichen Erfolg. Ein Vorzeigeunternehmen ist beispielsweise der Frankfurter Matratzenhändler „Emma“, auch wenn es zuletzt etwas gequietscht hat. Mit 100-Tage-Probeschlafgarantie, rein digitalen Vertriebskanälen und dem Versprechen hoher Qualität zu niedrigem Preis präsentierte das Startup seit 2015 sagenhafte Wachstumsraten.
Fest etabliert hat sich auch „Roomhero“. Die Frankfurter sind seit elf Jahren auf dem Markt und machen seit drei Jahren Gewinn. Die Idee, das Einrichten von Wohn- und Gewerbeimmobilien ins digitale Zeitalter zu transportieren, zahlt sich aus. Räume werden mit entsprechender Software maßstabsgetreu auf dem Bildschirm dargestellt und mit Optionen kombiniert. Der Käufer muss nur noch die passenden Möbel auswählen und in den Warenkorb legen. Das „kuratierte Wohnen“ kommt an – mittlerweile vor allem bei Großkunden aus der Immobilienbranche, die zeitsparend ihre Apartments möblieren wollen.
Wie Venture Capital das Risiko von Startups kalkuliertKapitalgeber, die Geld in Startups investieren, gehen ein Wagnis ein, das zu Beginn besonders groß ist. Für eine herkömmliche Fremdfinanzierung durch Banken fehlt es oft an Sicherheiten. Venture Capital hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Es steigt in Startups ein, auch wenn in der Regel neun von zehn scheitern. Man wählt üblicherweise Minderheitsbeteiligungen, die häufig zwischen 20 und 35 Prozent liegen. Im Gegenzug stellt man sein betriebswirtschaftliches Know-how zur Verfügung – nicht selten verbunden mit Kontroll- und Mitspracherechten.
Ein baldiger Exit ist eingeplant. Nach einigen Jahren sollen die Anteile wieder verkauft werden. Manchmal übernimmt man auch ein vielversprechendes Startup. Es lassen sich außerordentliche Renditen erzielen. Der Verlust durch Startups, die scheitern, wird durch einzelne hohe Gewinne mehr als aufgewogen.
Praxisbeispiel Circolution: Ein Startup für smarte MehrweglösungenDoch wie findet ein Startup die richtigen Partner? Circolution aus Frankfurt ist schon vor sechs Jahren von Futury begleitet worden. Die Plattform hat zu Beginn die drei Gründer zusammengebracht oder – wie es in der Szene heißt – „gematcht“. Übrig geblieben ist Maximilian Bannasch, der uns in einer Frankfurter Altbauetage mitten im Bahnhofsviertel die Circolution-Story erzählt. Und Alessandro Marchiaro. Sie haben etwas gestartet, das Partner aus der Wirtschaft für die Verpackungszukunft halten.
„Ich mache gern mein eigenes Ding. Was wir bei Circolution auf die Beine gestellt haben, hat wesentlich mehr Impact.“ – Maximilian Bannasch, Circolution
Man vermietet Mehrwegbehälter aus Edelstahl für Lebensmittel, verfolgt sie während ihrer gesamten Reise und kümmert sich um die Rückführungslogistik. Bannasch hat Ingenieurwissenschaft an der TU Darmstadt und Betriebswirtschaft an der University of Applied Science (UAS) in Frankfurt studiert. Mittlerweile ist er 31 Jahre alt. Er weiß, dass er in einem Konzern vielleicht schon mehr Geld verdient hätte. „Aber ich mache gern mein eigenes Ding. Was wir bei Circolution auf die Beine gestellt haben, hat wesentlich mehr Impact.“

Die Firma hat zwar erst vier Mitarbeiter, doch es könnten schon bald mehr werden. Man sitzt seit vier Jahren in der ziemlich bunten Münchener Straße. Die 240 Quadratmeter große ehemalige Wohnung wird auch noch von anderen Startups genutzt. „Ich mag das Leben hier“, bekennt Bannasch. Man sitze auch mal mit allen gemeinsam beim Essen am Tisch und tausche sich aus. „Das ist inspirierend.“ Der Weg sei steinig. „Doch wir haben bereits ein gutes Stück zurückgelegt.“
Von der Idee zum Produkt: Circolutions Weg in den SupermarktEs begann mit etwas privatem Vermögen, staatlichen Fördergeldern und Corporate Partnern von Futury, die mit ihrer großen Erfahrung helfen konnten. Die Idee, den Einsatz von Mehrwegbehältern im Supermarkt auszuweiten, fasziniert viele Unternehmen.

Im Augenblick sind die metallenen Becher, um die es geht, zum Beispiel mit Kakaopulver von Nestlé, Kaffeebohnen von dem Frankfurter Startup Hoppenworth & Ploch oder Espressobohnen des Aschaffenburger Rösters Kaffee Braun befüllt. „An Pfandautomaten zurückgeben in teilnehmenden Supermärkten“, steht auf den Deckeln der Pötte.
Futury will alle an den Tisch holen70 Rewe-Märkte machen mit – von Gießen im Norden bis Weinheim bei Heidelberg im Süden. Dass ein so starker Konzern wie Rewe dabei ist, ist ein echtes Pfund. Auf die Produkte wird 2,50 Euro Pfand aufgeschlagen. „Das sorgt dafür, dass tatsächlich fast alles wieder in den Kreislauf zurückgeht“, teilt Maximilian Bannasch mit.
Vor 18 Monaten stieg neben Business Angeln mit dem Verpackungsunternehmen „Amcor“ auch ein strategischer Investor ein. Vor dem Pitch mit dem globalen Player hatte sich Bannasch mit erfahrenen Gründern und Anwälten beraten. Das bewährte sich. Nun stehen Circolution 1,1 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, um das Projekt voranzutreiben.
„Es klingt alles ziemlich einfach“, findet er. Doch alle Partner unter einen Hut zu bringen, könne schon Kopfschmerzen bereiten. Dazu gehörten auch ein Pfandautomatenhersteller, ein Reinigungsunternehmen, ein Logistiker und ein Etikettendrucker.
„Mehrweg ist die Zukunft. Da wollen die Großen dabei sein. Ein GreenTech-Startup wie Circolution kann eine Menge bewegen.“ – Maximilian Bannasch, Circolution
„Mehrweg ist die Zukunft. Da wollen die Großen dabei sein“, stellt der findige Gründer zufrieden fest. Es gehe um smarte Verpackungen, mit denen die Mehrwegquote entscheidend verbessert werden könne. Ein GreenTech-Startup wie Circolution könne eine Menge bewegen. Viel Verpackungsmüll entfalle, wenn unterschiedliche Produkte und nicht nur flüssige Getränke vom Mehrweg-System erfasst würden.

„Wir wollen am Ende möglichst viele Supermarktketten ins Boot holen“, umreißt Max Bannasch die Zielrichtung. Das eingeführte Pfandsystem sei eine niedrigschwellige und einfache Lösung, um einen wichtigen ökologischen Beitrag leisten zu können. Der Startup-Unternehmer ist ziemlich optimistisch. Manchmal befielen einen zwar schon mal Ängste, dass alles eine Nummer zu groß werden könne. Das lege sich jedoch wieder. Man müsse sich nur immer wieder selbst motivieren. „Doch das gelingt. Der Spaß, an einer guten Sache zu arbeiten, überwiegt eindeutig.“
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