Alzheimer-Medikament Kisunla nun in Europa zugelassen

Mit dem Arzneimittel Kisunla wurde ein zweites Alzheimer-Medikament für den europäischen Markt zugelassen. Die Europäische Arzneimittelbehörde Ema hatte die Zulassung ursprünglich abgelehnt, weil sie das Risiko für lebensgefährliche Nebenwirkungen für zu hoch hielt – bei begrenztem Nutzen. Nachdem der Hersteller, das Pharmaunternehmen Eli Lilly, eine neue Prüfung verlangt hatte, hat sich die Behörde nun umentschieden. Das Medikament wurde mit Auflagen zugelassen.
Die Alzheimer-Erkrankung ist bis heute nicht heilbar. Medikamente können den Verlauf allenfalls etwas bremsen. Geeignet sind sie bisher zudem nur für eine kleine Gruppe von Betroffenen.

Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie - jeden zweiten Donnerstag.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Der Wirkstoff von Kisunla ist Donanemab. Es handelt sich um einen Antikörper, der das Entstehen von Amyloid-Plaques (Eiweißablagerungen im Gehirn) verhindern und diese teilweise reduzieren soll. Eine Hypothese besagt, dass die Plaques der Grund für den Untergang von Nervenzellen bei der Alzheimer-Krankheit sind. Allerdings wird diese Einschätzung nicht mehr von allen Fachleuten geteilt. Kisunla soll Patienten und Patientinnen alle vier Wochen als Infusion verabreicht werden. In der Herstellerstudie wurde der Verlust von kognitiven Fähigkeiten zu Beginn einer Erkrankung dadurch etwas verlangsamt.
Im April dieses Jahres war mit dem Medikament Leqembi (Wirkstoff Lecanemab) erstmals ein Arzneimittel in der Europäischen Union zugelassen worden, das den Verlauf der Alzheimer-Krankheit beeinflussen soll. Lecanemab wurde von dem US-Konzern Biogen gemeinsam mit dem japanischen Pharmaunternehmen Eisai entwickelt. Es handelt sich wie bei Donanemab um einen Antikörper, der sich gegen das Entstehen von Eiweißablagerungen im Gehirn richtet und die Symptome von Alzheimer im Frühstadium verzögern soll.
Während der Behandlung mit Antikörpern kann es zu gefährlichen Hirnschwellungen und -blutungen kommen. Deshalb hatte die Ema Lecanemab nur bei ganz bestimmten Patientinnen und Patienten zugelassen. So darf nur eine leichte kognitive Beeinträchtigung vorliegen. Es müssen Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn nachgewiesen sein und genetische Tests müssen ausschließen, dass eine bestimmte Genvariante vorliegt, die Nebenwirkungen wahrscheinlicher macht. So darf nicht mehr als eine Kopie des Gens (ApoE4) vorhanden sein, weil sonst das Risiko für Hirnblutungen und -schwellungen erhöht ist.
Noch ehe Lecanemab in Europa zugelassen wurde, hatte auch der Hersteller von Donanemab die europäische Zulassung beantragt und dazu Ergebnisse einer Studie mit 1736 Teilnehmenden vorgelegt. Die Zulassung war allerdings im März dieses Jahres abgelehnt worden.
Obwohl Donanemab nach dem gleichen Prinzip wirkt wie Lecanemab, kam die Ema zunächst zu der Einschätzung, dass der Nutzen die Risiken des Medikaments nicht überwiegt. Und zwar nicht einmal in der kleinen Gruppe der Patientinnen und Patienten im Frühstadium, die über weniger als zwei Kopien von ApoE4 verfügen. Auch bei ihnen kam es in der Herstellerstudie unter der Behandlung mit Donanemab doppelt so oft zu Hirnblutungen und -schwellungen wie unter einem Placebo-Präparat. Diese führten selbst in dieser Gruppe mit eigentlich geringerem Risiko zu gefährlichen Komplikationen, die in einem Fall tödlich verliefen.
Am Freitag gab die Ema nun bekannt, dass das Arzneimittel doch zur Behandlung von Alzheimer im Frühstadium zugelassen wird. In der Erklärung heißt es, der Hersteller habe eine andere Art der Dosierung vorgeschlagen, bei der mit einer geringeren Wirkstoffmenge begonnen wird, um das Risiko für Nebenwirkungen zu senken. Zudem habe die Ema strengere Regeln beschlossen, wann eine Therapie zu beenden sei und für welche Patienten und Patienten eine Behandlung infrage kommt.
So muss nicht nur ausgeschlossen werden, dass Patienten oder Patientinnen über zwei Kopien von ApoE4 verfügen. Sondern es muss auch mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) nachgewiesen werden, dass nicht bereits eine Gefäßverengung im Gehirn vorliegt, die Blutungen und Schwellungen besonders gefährlich machen würde.
Die Therapie soll laut Ema nur von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden, die in der Alzheimer-Behandlung erfahren seien. Der Therapieverlauf müsse von einem multidisziplinären Team durchgeführt werden, das in der Lage ist, Hirnschwellungen und Blutungen frühzeitig zu erkennen. Zudem müssen alle Behandlungen in einem zentralen System erfasst werden.
Aber für viele Menschen sind die neuen Medikamente nun überhaupt geeignet? Laut dem unabhängigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen erfüllt nur einer oder eine von 100 Patientinnen und Patienten die Bedingungen für eine Behandlung mit einem Antikörper. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hingegen geht laut Nachrichtenagentur Dpa davon aus, dass eine Antikörperbehandlung für rund zehn Prozent der 1,2 Millionen Betroffenen mit Alzheimer in Deutschland infrage kommt.
rnd