Experten schlagen Alarm: Populäre Märchen schaden der psychischen Gesundheit von Kindern.

- Die Studie „Toddler on the Net 3.0“ zeigte, dass polnische Kinder viel früher mit der Nutzung von Bildschirmen beginnen, als die WHO empfiehlt, und Eltern nutzen Smartphones oft als schnelle Möglichkeit, ihr Kind zu beruhigen.
- Experten betonen, dass das Problem nicht in mangelndem Wissen liege, sondern vielmehr in der Überlastung und Überforderung der Eltern, die dazu fördere, zur Technik zu greifen, statt miteinander zu reden oder zu spielen.
- Analysen haben außerdem gezeigt, dass die meisten Anwendungen und beliebten Cartoons einen geringen pädagogischen Wert haben und einige sogar aggressive Verhaltensmuster und negative Emotionen verewigen können.
- Wissenschaftler warnen: Wenn man einem Kind häufig ein Telefon gibt, um es zu beruhigen, löst das einen Risikomechanismus aus, der zu problematischer Mediennutzung im Schul- und Jugendalter führen kann.
Die aktuelle Studie „Toddler on the Net 3.0“ eines Teams um Dr. Magdalena Rowicka von der Maria Grzegorzewska Academy of Special Education in Warschau liefert viele Antworten auf Fragen, die sich Eltern von Vorschulkindern stellen, etwa ob und wie lange kleine Kinder Bildschirme wie Tablets nutzen können.
Dies ist eine Fortsetzung der beiden vorherigen Ausgaben, die zeigten, dass ein Drittel der Kinder in Polen vor dem zweiten Lebensjahr Bildschirmgeräte nutzt. Kinder nutzen Bildschirme oft allein, passiv, ohne Anwesenheit eines Elternteils und auch direkt vor dem Schlafengehen, was sich besonders nachteilig auf ihre Entwicklung auswirkt.
„Wir können deutlich sehen, dass der Kontakt von Kindern mit Bildschirmen in Polen viel früher beginnt, als Experten empfehlen“, betonte Dr. Rowicka in einem Interview mit PAP. „Schon Kinder unter zwei Jahren verbringen Zeit mit Smartphones oder Tablets. Eltern betrachten dies oft als völlig selbstverständlich, doch die Folgen für die emotionale und kognitive Entwicklung können schwerwiegend sein“, fügte sie hinzu.
Die Weltgesundheitsorganisation und internationale pädiatrische Gesellschaften empfehlen, dass Kinder unter zwei Jahren überhaupt keinen Kontakt mit Bildschirmgeräten haben. Kinder im Vorschulalter sollten diese maximal eine Stunde pro Tag nutzen, am besten gemeinsam mit einem Elternteil, im Rahmen einer aktiven Konversation und Interpretation der Inhalte.
Die Ergebnisse der Studien „Kleinkind im Netz 1.0“ und „Kleinkind im Netz 2.0“ haben jedoch gezeigt, dass diese Regeln in der Praxis häufig gebrochen werden. Jüngere Kinder nutzen Bildschirme deutlich länger, oft allein und in Situationen, die den Tagesrhythmus besonders stören, wie etwa kurz vor dem Schlafengehen. Die neueste Ausgabe des Projekts versucht, die Frage zu beantworten, warum dies geschieht, da Eltern angeben, die Empfehlungen zu kennen.
„Eltern wissen, was die Empfehlungen besagen. Das Problem ist nicht mangelndes Wissen, sondern die fehlende Kraft, diese im Alltag umzusetzen“, so Dr. Rowicka. „Wenn ein Kind Langeweile hat, schreit, mit den Geschwistern streitet oder ein Elternteil nach der Arbeit erschöpft ist, ist das Smartphone eine schnelle und einfache Lösung“, betont sie.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse von „Toddler Online 3.0“ ist die enorme Bedeutung des Erziehungsstresses und der daraus resultierenden Frustration bei der Entscheidung der Eltern, ihren Kindern den Zugang zu Bildschirmen zu erlauben . Forscher stellen fest, dass ein Kind umso häufiger einen Anruf erhält, „um sich zu beruhigen“ oder „sich abzulenken“, je höher der psychische Stress der Eltern ist.
„Überforderten Eltern fehlt oft die Kraft, ins Gespräch zu kommen oder alternative Aktivitäten vorzuschlagen. Einen Zeichentrickfilm einzuschalten, erscheint als einfachste Lösung. Das ist verständlich, aber gefährlich“, erklärt Dr. Rowicka. „So beginnt ein Teufelskreis. Das Kind lernt, seine Emotionen über den Bildschirm zu regulieren, und die Eltern bestärken den Glauben, dass dies eine wirksame Methode ist“, fügt sie hinzu.
Die Studie untersuchte auch die Ansichten der Eltern zum pädagogischen Potenzial mobiler Apps. Viele glauben, dass Apps, die als pädagogisch wertvoll vermarktet werden, die Entwicklung von Kindern schneller und effektiver fördern als traditionelle Spielformen.
„Das ist einer der größten Mythen. Analysen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der gängigen Apps wenig pädagogischen Wert hat. Kinder klicken auf blinkende Bilder, sammeln Punkte und Belohnungen, lernen aber nichts, was ihr Gedächtnis, ihre Konzentration oder ihre Kreativität fördern würde“, betonte Dr. Rowicka. „Tatsächlich sehen wir, dass ein Übermaß solcher Reize die kognitiven Funktionen beeinträchtigt und zu Lernschwierigkeiten führen kann“, sagte sie.
Wie bei Apps ist die Qualität der angesehenen Inhalte entscheidend. Das Forschungsteam weist darauf hin, dass viele beliebte Zeichentrickfilme wie „Mascha und der Bär“ und „Lemminge“ negative Emotionen und Verhaltensweisen modellieren und so aggressive Muster und Respektlosigkeit gegenüber Erwachsenen verfestigen können. Gleichzeitig gibt es aber auch positive Beispiele, wie die australische Serie „Bluey“, die Kooperation, Empathie und emotionales Management fördert.
„Der Inhalt ist entscheidend. Es geht nicht nur darum, wie viel Zeit ein Kind vor dem Bildschirm verbringt, sondern auch darum, was es sieht und wie es es sieht. Eine Geschichte, die konstruktive Wege zum Umgang mit Emotionen zeigt, kann die Entwicklung unterstützen. Eine Geschichte, die Chaos und Aggression fördert, bewirkt jedoch genau das Gegenteil“, stellte Dr. Rowicka fest.
Das Forschungsteam beobachtete, dass selbst scheinbar harmlose Situationen, in denen ein Kind zur Beruhigung ein Telefon erhält, eine Kette von Risikomechanismen auslösen. Das Kind lernt, dass ein Bildschirm die einzige Möglichkeit ist, mit Frustration umzugehen, und die Eltern sind davon überzeugt, dass Technologie das Problem schneller löst als Gespräche oder gemeinsames Spielen.
„Wenn sich dieses Muster immer wieder wiederholt, steigt das Risiko einer problematischen Mediennutzung in der Zukunft. Dies kann der erste Schritt zur Technologiesucht in der Schule und im Jugendalter sein“, warnt Dr. Rowicka.
Sie betonte jedoch, dass Technologie nicht schlecht sei. „Ein Smartphone oder Tablet ist nur ein Werkzeug, das man sinnvoll oder riskant nutzen kann. Das Problem beginnt, wenn ein Bildschirm Gespräche, Nähe und gemeinsame emotionale Erlebnisse ersetzt“, schloss die Forscherin. „Unser Ziel ist es nicht, den Menschen Angst zu machen, sondern Eltern zu zeigen, dass sie einen echten Einfluss darauf haben, wie ihre Kinder in Zukunft Medien nutzen“, fügte sie hinzu.
Das Forschungsprojekt „Kleinkind im Netz“ ist eine von Dr. Magdalena Rowicka initiierte Studienreihe. Das Projekt wurde vom Gambling Problem Solving Fund kofinanziert und vom Nationalen Zentrum für Suchtprävention in Auftrag gegeben.
Ziel der Forschung ist es, das Wissen über die Auswirkungen der Nutzung digitaler Geräte durch Kleinkinder auf ihre psychophysische Entwicklung zu erweitern und die Rolle der Eltern bei der Prägung dieser Gewohnheiten zu analysieren.
Die Studie wurde an einer repräsentativen Stichprobe von Eltern von Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren, also der Vorschulgruppe, durchgeführt. Insgesamt wurden über 1.600 Eltern befragt, davon 1.000 Betreuer von Kindern mit Bildschirmnutzung. Die übrigen waren Eltern von Kindern, die keinen Kontakt zu dieser Art von Technologie haben. Dies ermöglichte einen Vergleich zwischen den beiden Gruppen und die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Ergebnisse.
Die untersuchten Kinder waren hinsichtlich Alter und Geschlecht gleichmäßig verteilt, was eine hohe Repräsentativität der Stichprobe gewährleistete. Das Projekt „Kleinkind im Web 3.0“ ist die dritte Auflage der von Dr. Rowicka und ihrem Team durchgeführten Forschung.
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