Es reicht nicht aus, sich einfach nur mehr zu bewegen: Die Gewichtszunahme hängt zu 90 % von der Ernährung ab.

Schwimmbad. Fitnessstudio. Lange Spaziergänge. Doch die überflüssigen Pfunde wollen einfach nicht verschwinden. Ein allzu häufiges Phänomen, das nun endlich eine Erklärung hat: Das Problem des westlichen Lebensstils ist nicht die sitzende Tätigkeit, sondern die Ernährung. Eine kürzlich in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie der Duke University (USA) zeigt, dass sich die tägliche Kalorienaufnahme in Industrieländern nicht wesentlich von der in weniger wohlhabenden Ländern unterscheidet. Und dass die Fettleibigkeitsepidemie, die sich mit dem wirtschaftlichen Wohlstand der letzten Jahrzehnte ausgebreitet hat, daher hauptsächlich auf kalorienreiche Mahlzeiten und Snacks mit hohem Anteil an hochverarbeiteten Lebensmitteln zurückzuführen ist.
Zwei mögliche ErklärungenGewichtszunahme ist ein Symptom für ein Ungleichgewicht zwischen der Anzahl der Kalorien, die wir zu uns nehmen, und der Anzahl der Kalorien, die wir durch unsere täglichen Aktivitäten verbrennen. Dem Lebensstil in den Industrieländern fehlen jedoch beide Aspekte: Wir bewegen uns immer weniger, essen immer mehr und ernähren uns fett-, zucker- und extrem kalorienreich. Es ist daher kein Zufall, dass Fettleibigkeit und Übergewicht immer häufiger auftreten. Es ist jedoch schwierig, den relativen Beitrag dieser beiden Faktoren zu bestimmen. Nehmen wir zu, weil wir – kurz gesagt – zu viel essen oder weil wir uns zu wenig bewegen?
„Trotz mehr als zehnjähriger Bemühungen, die Ursachen der Fettleibigkeitsepidemie in wirtschaftlich entwickelten Ländern zu verstehen, sind die Richtlinien des öffentlichen Gesundheitswesens hinsichtlich der relativen Bedeutung von Ernährung und körperlicher Aktivität immer noch recht vage“, erklärt Herman Pontzer, Studienkoordinator und Professor am Institut für Evolutionäre Anthropologie der Duke University. „Dank dieser breit angelegten, internationalen Zusammenarbeit konnten wir beide Hypothesen überprüfen.“
Der Energieverbrauch variiert nicht starkFür die Studie wurden Tausende von Daten zum täglichen Energieverbrauch, Körperfettanteil und Body-Mass-Index (BMI) von Erwachsenen aus 34 Ländern auf allen Kontinenten analysiert. Die Menschen gehören Gesellschaften an, die das gesamte Spektrum wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung abdecken – von indigenen Jäger- und Sammlervölkern bis hin zu Industriemächten und allem, was dazwischen liegt. Die Analyse brachte eine eher unerwartete Tatsache ans Licht: Mit zunehmendem Wohlstand und Wohlbefinden steigt tatsächlich auch der tägliche Energieverbrauch. Dies liegt vor allem daran, dass die Menschen tendenziell größer und schwerer werden und daher bei einfachen Alltagsaktivitäten mehr Kalorien verbrennen.
Bereinigt man die Ergebnisse um die Größenunterschiede zwischen den Bevölkerungen, so lagen wirtschaftlich weniger entwickelte Gesellschaften beim täglichen Energieverbrauch vorne. Allerdings nicht deutlich. Und die tägliche Kalorienaufnahme war nur schwach mit der Wahrscheinlichkeit eines höheren Körperfettanteils oder eines höheren BMI verbunden. Nach den Berechnungen der Studienautoren sind 90 Prozent des weltweiten Anstiegs der Fettleibigkeit daher nicht auf einen sitzenden Lebensstil, sondern auf Ernährungsumstellungen in wohlhabenden Ländern zurückzuführen.
Es sind nicht nur die KalorienDen Studienautoren zufolge könnten hochverarbeitete Lebensmittel eine der Hauptursachen für Fettleibigkeit sein. Diesen Lebensmitteln wird seit langem vorgeworfen, die Appetitregulierung zu beeinträchtigen, die Kalorienaufnahme zu steigern und Essattacken und Überessen zu fördern. Tatsächlich hat die Forschung gezeigt, dass der Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel proportional mit einem höheren Körperfettanteil einhergeht. Die Studienautoren räumen zwar ein, dass derzeit Studien zur Bestätigung der gesundheitlichen Auswirkungen dieser Lebensmittel laufen, aber der Zusammenhang mit dem Risiko einer Übergewichtszunahme wird sich wahrscheinlich bestätigen. Die Förderung körperlicher Aktivität bleibt daher wichtig, da sie nicht nur der Gewichtsabnahme zugutekommt, sondern auch aktivem Altern und der Vorbeugung von chronischen Krankheiten und Herz-Kreislauf-Problemen. Um gewichtsbedingte Probleme anzugehen, muss der Ernährung in Zukunft jedoch wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden: Die Gewährleistung des Zugangs zu gesunden, qualitativ hochwertigen Lebensmitteln könnte sich als Schlüssel zur endgültigen Bekämpfung von Fettleibigkeit und Übergewicht erweisen.
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