Nebenwirkungen: Zugenommen durch Medikamente? Nicht im Alleingang absetzen


Die Wirkstoffe, deren etwaige Nebenwirkungen dazu führen können, dass Patienten mehrere Kilo zunehmen, stammen aus ganz unterschiedlichen Arzneimittelgruppen. / © Getty Images/Stefania Pelfini, La Waziya Photography
Gegessen und bewegt wie immer, doch plötzlich steigt die Zahl auf der Waage? In manchen Fällen können Medikamente zu einer Gewichtszunahme führen, informiert die Landesapothekerkammer Hessen. Bestimmte Wirkstoffe könnten den Appetit anregen, den Stoffwechsel und das Hormonsystem beeinflussen, körperlich träge machen oder zu Flüssigkeitseinlagerungen führen. Lassen sich die neuen Kilos nicht anders erklären, lohnt also eine ärztliche Abklärung. Mögliche Hinweise darauf, dass man aufgrund von Medikamenten zunimmt, sind ständiger Appetit, gleichbleibendes Gewicht trotz verbesserter Ess- und Lebensgewohnheiten sowie Einnahme eines neuen Medikamentes in den letzten Wochen.
Wer sich an den zusätzlichen Kilos stört und einen Zusammenhang mit seinen Medikamenten vermutet, sollte die Therapie auf keinen Fall im Alleingang abbrechen, warnt die LAK. Denn das gefährde den Behandlungserfolg. Stattdessen sollte man ärztlich abklären lassen, welche Optionen es gibt. Der behandelnde Arzt oder die Ärztin könne etwa prüfen, ob es einen alternativen Wirkstoff gibt, der das Gewicht nicht beeinflusst oder sogar senken kann. Aber auch, wenn das nicht möglich ist, könne ein gesünderer Lebensstil der Gewichtszunahme entgegenwirken.
Im Idealfall besprechen Patientinnen und Patienten das Risiko einer Gewichtszunahme bereits mit ihrem Arzt, wenn sie ein neues Medikament verschrieben bekommen, rät die Kammer. Denn neben Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl könne Übergewicht zu chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Gicht führen und erhöhe das Unfallrisiko. Regelmäßige Kontrollen könnten helfen, ein medikamentenbedingtes Mehrgewicht frühzeitig zu erkennen. Eine Gewichtszunahme durch Medikamente zu minimieren, sei daher kein »kosmetisches Problem«, sondern entscheidend für den Behandlungserfolg.
»Bestimmte Wirkstoffe können den Appetit anregen, den Stoffwechsel und das Hormonsystem beeinflussen, körperliche Trägheit begünstigen oder Flüssigkeitseinlagerungen verursachen«, erklärt LAK-Präsident Dr. Christian Ude. Bei folgenden Medikamenten ist bekannt, dass sie zu einer Gewichtszunahme führen können:
- verschiedene Arten von Psychopharmaka, zum Beispiel die Antipsychotika Olanzapin und Clozapin
- Antiepileptika wie Valproinsäure und Gabapentin
- manche Antidiabetika, etwa Insulin und ältere Sulfonylharnstoffe wie Tolbutamid
- manche Betablocker, vor allem Atenolol, Propranolol sowie Metoprolol am Anfang einer Therapie
- Cortison
- Hormone, etwa eine Hormontherapie bei Prostatakrebs
- HIV-Therapeutika, insbesondere der Integrase-Inhibitor Bictegravir oder die Wirkstoffkombinationen Abacavir/Lamivudin und Tenofoviralafenamid/Emtricitabin
Abzugrenzen ist eine scheinbare Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen im Körper, zum Beispiel durch hormonelle Verhütungsmittel, das Brustkrebsmedikament Tamoxifen oder das Antiepileptikum Carbamazepin. Diese verschwinden in der Regel, sobald das Medikament abgesetzt wird.

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