Apothekerin erobert Galerie-Szene: Sperling verordnet jetzt Kunst


Dr. Giesela Sperling mit dem Künstler Andreas Karl Schulze, dessen farbige Quadrate zuletzt ihre Räume zierten. / © PZ/Evans
Sie hat eine Institution geschaffen. Die Rede ist nicht von der renommierten Marien-Apotheke in Hannover, die Dr. Gisela Sperling bis zu ihrem Ruhestand im Juli 2018 leitete und in einen modernen Betrieb verwandelte. Nein, seitdem ist viel passiert. Inzwischen hat sie sich in der Kunstszene einen Namen gemacht.
Nur anderthalb Kilometer von der alten Offizin entfernt, eröffnete sie im Sommer 2019 den »Kunstraum Friesenstrasse«. Auf der verwinkelten Fläche auf zwei Etagen war zuvor ein schickes Möbelhaus untergebracht. Die zentrale Innenstadtlage, die lichtdurchfluteten Räume und die überschaubare Größe von rund 140 Quadratmetern überzeugten Sperling, das richtige Plätzchen für ihre zweite Leidenschaft gefunden zu haben: die Kunst. Vor allem Skulpturen und Zeichnungen haben es ihr angetan. Ihrer Sammlung hat sie in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Schätzchen hinzugefügt – und die Kollektion wächst weiter.
Schwerpunkt sind Werke ab 1950. Mit dabei ist beispielweise die bemalte Stahlskulptur »Whimblow« des US-Amerikaners John Chamberlain von 2006, ein Werk aus dem Nouveau Réalisme. Und drei Leuchtkästen mit grünem Streifenmuster, eine Arbeit des französischen Konzeptkünstlers Daniel Burens von 1989. Aber auch ein Minimal Art Objekt namens »Betoni« des Deutschen Bildhauers Imi Knoebel aus dem Jahr 1990.
Genauso achtsam wie sie ihre Sammlungsstücke zusammenstellt, sucht sie auch nach den passenden Künstlerinnen und Künstlern – national und international –, denen sie jeweils für einige Monate die Ausstellungsfläche im Erdgeschoss ihres Kunstraums zur Verfügung stellt. Für die passende Wahl arbeitet sie mit einem Gremium zusammen, ein persönliches Expertenteam mit Fachwissen aus Bildender Kunst und Kunstgeschichte.
Wenn die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten präsentieren, gibt es auch immer einen Themenabend, an dem sie selbst über die Werke sprechen und so Interessierten den Zugang zur Kunst erleichtern. Manchmal stößt auch eine Musikerin oder ein Musiker dazu und sorgt für eine stimmige akustische Untermalung. Die Nachfrage ist groß, freut sie sich über den Erfolg. »Manchmal habe ich so viele Anmeldungen, dass ich zwei Termine anbieten muss.«
Ein wenig Herausforderung verlangt die ehemalige Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie und Klinische Pharmazie aber auch. Im Obergeschoss sollen die Künstlerinnen und Künstler nämlich immer ihre Werke in Beziehung mit der Sammlung Sperling setzen. »Für mich ist dieser Dialog immer sehr spannend«, berichtet Sperling.
Kein Wunder, die minimalistischen Werke ihrer Sammlung schreien förmlich danach, persönliche Sichtweisen hineinzuinterpretieren. Dabei entdeckt Sperling ihre Exponate selbst jedes Mal wieder neu, wie sie sagt. Und auch der Charakter eines jeden Kunstwerks verändert sich mit jeder neuen Umgebung oder Szenerie. »Wenn ich die Werke dann mit so vielen unterschiedlichen Eindrücken und Geschichten verbinde, kann ich mich nie wieder von ihnen trennen«, gesteht sie.
Auch sie selbst hat viel dazugelernt in den vergangenen Jahren. Denn als Naturwissenschaftlerin ist sie eigentlich eine Quereinsteigerin in die Galerie- und Kunstszene. Doch inzwischen ist sie auf ihrem neuen Terrain immer trittsicherer geworden. Zwei Mal die Woche öffnet Sperling die Türen zu ihrem Reich, stehen Veranstaltungen oder Interventionen an, ist sie natürlich noch öfter vor Ort. Ein Leben ohne ihren Kunstraum kann sie sich nicht mehr vorstellen und gibt zu: »Manchmal lege ich sogar meinen Urlaub so, dass ich zu den Öffnungszeiten wieder zurück bin.« Ein Glück für ihre Besucherinnen und Besucher. Denn es fällt schwer, sich nicht von ihrer Begeisterung anstecken zu lassen.





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